Bergtour Östl. Salzachgeier und -quelle

Eigentlich nur eine Wanderung!

Die neue Woche beginnt in vielerlei Hinsicht anders, als ich mir das ausgedacht hatte. Deshalb muss ich kurzfristig neue Pläne schmieden. Die Alpen erleben, wie auch der Rest Europas, die erste große Hitzewelle des Jahres 2025. Körperliche Anstregungen sollte man sich gut überlegen und der Zugang zu Wasser wird zum entscheidenden Faktor.
Wie wäre es denn mit einer Bergwanderung in den Kitzbüheler Alpen? Klingt nicht schwer und Wasser gibts dort noch im (scheinbaren) Überfluss.
Gesagt, getan. Der Salzachgeier ist für mich noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Los geht's! 

geografische Einordnung:


erreichte Gipfel:

weitere Wegepunkte:

Talort(e):


Schwierigkeiten:

Höhendifferenz Aufstieg/Abstieg:

Distanz:


Zeitbedarf inkl. Pausen:

Kitzbüheler Alpen


Östlicher Salzachgeier 2.466m

Bamberger Htt., Markkirchl/Salzachjoch 1.988m, Salzachquelle ~2.300m, Streitfeldenalm

Ghf. Wegscheid im kurzen Grund


Wandern: T4        Klettern UIAA: I        Klettersteig: -/-         Schneeschuhe: -/-

1.490 m / 1.490 m

21,5 km


9h42m

Der erste Abschnitt zwischen Wegscheid und der Neuen Bamberger Hütte ist dann doch gar nicht so neu. Schnell spule ich den lästigen Zustieg ab, was dank der leeren Wasserflaschen in meinem Rucksack auch leicht möglich ist. So richtig beginnt diese Tour dann doch erst am Salzachjoch.


An der ersten Brücke über die junge Salzach mache ich dann in der frischen Morgenluft endlich eine Pause und fülle auch die Flaschen mit Salzachwasser auf. Schmeckt ein wenig blechern - nun ja, lieber vergiftet als verdurstet!

Wie so oft, kann man auch heute die Kitzbüheler Alpen unterschätzen. Die Gipfel sind hoch und die scheinbar harmolsen Wege weit. Von der ersten Salzachbrücke bis zum Gipfel des Salzachgeiers soll es immerhin noch 1 3/4 Stunden dauern, und das bei nur etwas mehr als 500 Hm. 4,5 Kilometer Strecke wollen eben auch gelaufen werden.

Es ist letztendlich jedoch alles nur dreiviertel so schlimm, wie zuvor angenommen. Um 10:38 Uhr, nach knapp vier Stunden Wandern, betrete ich den Gipfel des Östlichen Salzachgeier. Kurz unterhalb dess Gipfels wohnt ein Murmeltier, dass sich lautstark über meine Ankunft beschwert und dann in seiner Höhle verschwindet. Ein Raabe beschwert sich ebefalls, weicht dann aber zum Westlichen Salzachgeier aus, und beschwert sich dort weiter. Soll ich auch noch zum Westl. Salzachgeier? Man kann in den spärlichen Berichten über diesen Übergang Horrorgeschichten bis zum III. Grad nachlesen. "Zing, Du wolltest heute nur wandern!" "Ja, ich hab ja recht."

Trotzdem eruiere ich die Möglichkeiten eines Übergangs. Direkt vom Gipfel aus wird es schwierig. Nach drei Seiten fällt der Gipfelaufbau des Östl. Salzachgeiers steil ab. Der II. oder gar III. Grad erscheint da schon im Bereich des Möglichen bzw. Wahrscheinlichen. Steigt man jedoch am einfachen Anstiegsweg nur ein paar Meter wieder ab, dann kann in Aufstiegsrichtung links unterhalb des Gipfels über einen steilen Grasabsatz in den Übergang zwischen den beiden Salzachgeiern queren (vermutl. T5-). Über etliche Grasbänder könnte man sich dann zum nächsten Gipfel mogeln. Ich schätze die ganze Unternehmung auf max. T5/I+ und lasse sie heute jedoch bleiben, weil ich ja nur wandern wollte.


Ich bin ein wenig stolz darauf, das ich auch einmal 'nein' zu mir sagen konnte. Dann aber mache ich doch noch eine Dummheit. Nein, es ist nicht der Übergang zum anderen Salzachgeier. Es ist der unzähmbare Wunsch, die Quelle der Salzach zu erreichen, weil meine Familiengeschichte irgendwie auch mit der Salzach verbunden ist. "Zing, was erzählst du da wieder für einen Scheiß!?"

Also, meine Mutter hat als siebzehnjähriges Mädchen die letzten Monate des 2. Weltkriegs in Mattighofen verbracht. Sie und meine Oma waren dorthin evakuiert worden, nachdem Bomber-Harris von Essen nicht mehr viel übrig gelassen hatte. Wie das halt so ist, wenn man von einer vom Krieg verstörten Generation aufgezogen wird, habe ich mir natürlich auch immer wieder die Geschichten aus Mattighofen anhören müssen. Jedes zweite Wort dabei war Salzach.


Wie dem auch sei, ich muss zur Quelle der Salzach. Damit verletze ich natürlich mein Wandergelübde, aber was soll's? Auf einem sehr schmalen Grasband zwinge ich mich rechts um den Salzachgeier herum. Gerade an der heikelsten Stelle, ein Fels drängt ab, sehe ich plötzlich nur noch Federn und Flügelschläge. Nur einen halben Meter vor mir ergreift ein Schneehuhn die Flucht. Den Grund für die ganze Aufregung entdecke wenige Sekunden später in einer Höhle unterhalb des abdrängenden Felsens: Ein Gelege mit 6 Eiern.

Schnell mache ich moich vom Acker, um den Bruterfolg nicht länger zu gefährden, und erreiche eine kleine Scharte östlich, unterhalb des Gipfels. Über die Wand ginge es im III. Grad wieder nach oben. Unter einem Stein vor mir ragt etwas hervor, braun, geschlängelt. Ich traue mich nicht, mich zu bewegen. Mit dem Fotoapparat zoome ich das heran und entdecke das kalte Ende einer Kreuzotter! Bei meinem nächsten Schritt verschwindet sie vollständig in ihrer Höhle.


Weiter geht es über den ausgedehnte Platten und Grasflächen am Ostgrat hinab. Das ist zunächst einfach (T3), aber 'das dicke Ende kommt bestimmt noch'. Ich muss irgendwie nach Norden, um auf eine Pfadspur zur Salzachquelle zu gelangen. Allerdings befinden sich links von mir scheinbar nur steile Abbrüche. Ganz hinten erkenne ich jedoch eine Grasrampe, die mich hinabführen könnte.

Das war nicht verkehrt. Trotzdem ist dann aber auch schon Schluss mit Grasband und aufrechtem Gang. Mehre rumpelige und mit großen Blöcken gefüllte Rinnen wollen im Abstieg überwunden werden, bis ich plötzlich an eine 2m-Felsstufe gelange, die lediglich kletternd überwunden werden kann. Nach diesem Abschnitt (T4, I) ist es dann aber gaschafft und das Gelände wird wieder begehbar. Ich erreiche die Quelle der Salzach und fühle mich wie Stanley und Livingstone zugleich.


Die Quelle der Salzach ist ein kleiner See auf ca. 2.300m. Es gibt hier sogar so etwas wie einen Badestrand. Ich traue mich jedoch nur bis zu den Knien hinein. Einerseits ist das Wasser lediglich 5 Milimeter kalt und anderseits möchte ich die Menschen am Unterlauf der Salzach nicht verseuchen.


Der Abstieg folgt immer dem Lauf der jungen Salzach, was zunächst recht einfach klingt. Allerdings ist einmal noch eine Steilstufe zu überwinden (T3) und dann muss man á la Oliver Morton Stanley durch die Suds der jungen Salzach. Ist die Salzach bei Salzburg dann eigentlich schon die alte Salzach? Kann ein Fluss altern? Zumindest steigt man niemals in denselben Fluss...


Wieder am Salzachjoch angelangt ist das Abenteuer auch schon wieder vorbei. Jetzt ist es einfach nur Wandern in der zunehmenden Hitze. Auch der Schlenker über die Streitfeldenalm ändert nichts daran. Am Salzachjoch steht noch geschrieben, dass die Almstraße nach zwei Kilometern enden würde. Stimmt aber nicht. Sie und auch ich gehen durch bis zur Bamberger Hütte und hinab ins Tal.


1. Juli 2025