China Mai 25 - TTArtisan 100mm/2.8 & Laowa 20mm/4 shift
Ein ungleiches Paar im Sissi-Schloss zu Unterwittelsbach
Wer hätte das gedacht? Sissis Vater hat einmal ein Wasserschloss in Unterwittelsbach, kurz vor den Toren Aichachs, besessen. Ob Sissi hier auch einmal Zeit verbracht hat, ist mir zwar nicht bekannt, es würde aber erklären, warum Kaiserin Sissi eine so schlechte Autofahrerin war, denn: "Gott schütze uns vor Mord, Tod und Brand und vor Autofahrern aus Aichach und Augsburg Land!"
Egal, jedenfalls kann man in einer kleien Runde zu Fuß das Wasserschloss Unterwittelsbach oder auch die Ruinen der Stammburg der Wittelsbacher in Oberwittelsbach erreichen, und fotografieren. Das schreit förmlich nach Architekturfotografie und dem Einsatz eines Shift-Objektives.

Die beiden Objektive, die ich heute für die Dicke Bertha mitnehme könnten nicht unterschiedlicher sein. Da ist zunächst das sehr hochwertige 20mm Shift-Objektiv von Laowa, dass extreme Bildwinkel ermöglicht und gleichzeitg die formale Architekturaufnahme zulässt. Die durch Laowa erreichte optische Konstruktion wird als zero-d, zero distortion, bezeichnet. Dadurch bleiben weite Bereiche des Bildkreises nahezu frei von Verzeichnung. Das ist sehr nützlich, weil damit aufwändige, nachträgliche Korrekturen, besonders bei Shift der Optik, überflüssig werden. Das Laowa 20mm/4.0 shift ist ein sehr ausgereiftes Weitwinkelobjektiv.
Und dann ist da das 100mm/2.8 von TTArtisan. Die Optik stammt aus China und ist neu, aber die optische Konstruktion reicht auf das Jahr 1916 zurück. Damals hatte Hugo Meyer, der Gründer von Meyer-Optik-Görlitz, sein aus dem Cooke-Triplet abgeleitetes Trioplan vorgestellt. Ein Trioplan wollte ich wegen des berühmten Seifenblasen-Bokeh schon immer haben. Alte, gebrauchte Exemplare sind jedoch meist überteuert und dafür in einem erbärmlichen Zustand. Mittlerweile gibt es wieder eine "wiederauferstandene" Firma Meyer-Optik-Görlitz, die auch ein Trioplan anbieten. Dann werden jedoch 900,- EURO für einen Dreilinser aufgerufen. Bei TTArtisan zahlt man für eine sehr ähnliche Optik hingegen nur ein Sechstel dieses Preises. Das musste ich ausprobieren.
Laowa 20mm/4 shift
Mit 750g ist Laowas 20mm Shift-Objektiv recht schwer und zudem sehr frontlastig. Das wäre dann auch die einzige Beschwerde. Die Optik ist sehr gut bis ausgezeichnet. Das muss sie auch sein, weil es ohne elektrische Verbindung zur Kamera auskommen muss. Kamerainterne Korrekturen von Verzeichnung und Beugung sind also gar nicht möglich. Abblenden auf 5,6 ist Pflicht, wenn es um die Schärfe in der Bildmitte geht, und am Mittelformatsensor ist maximal Blende 11 möglich. Ab 16 wird die Beugungsbegrenzung erkennbar.
Das Universum der Tilt-/Shift-Objektive lerne ich gerade erst kennen. Mit Laowas 20mm/4 shift übe ich noch. Das extreme Weitwinkel macht mir manchmal Angst. Dann aber gibt es Momente, in denen man ohne gar nicht zur Aufnahme käme. Nur so wurde heute der 'signature shot' des Wasserschloss Unterwittelsbach möglich.
Vom Zing gibt es für das Laowa 20mm/4 shift solide 4 von 5 möglichen Porzellanscherben.
TTArtisan 100mm/2.8
Triplet-Optiken zeichnen sich durch ihr einzigartiges Seifenblasen-Bokeh aus. Auch ich würde am liebsten alles mit TTArtisans 100er "trioplanieren". In der Praxis ist das dann leider nicht so ganz einfach. Der Abstand zwischen Vordergrundobjekt und den Spitzlichtern im entfernten Unschärfebereich will genau bemessen sein: Entfernung Objekt ca. 1,2 m, Entfernung Spitzlichter ca. 4...8 m. Bei Blende 2,8 ist das Objektiv unscharf und kontrastarm. Bereits bei Blende 3,5 wird die Schärfe brauchbar. Die Kontrastleistung bleibt jedoch immer hinter meinen Erwartungen zurück. Ich muss JPEGs nachbearbeiten, Kontrast und Klarheit nach oben korrigieren. Ich hasse es, JPEGs nachzubearbeiten. Vielleicht braucht man für TTA's 100er ja ein spezielles JPEG-Rezept.
Zing gibt für das TTArtisan 100mm/2.8 immerhin 3,5 von 5 möglichen Porzellanscherben, weil Trioplanieren ja so schön ist.
Für ein kurze Linienbusreise war ich nun doch acht Stunden unterwegs. Nach mehr als 12 km und immerhin 200 Hm hätte ich auch einen Tourenbericht schreiben können. Na, vielleicht beim nächsten Mal, denn mit dem Wasserschloss und Aichach bin ich noch nicht fertig. Da geht bestimmt noch besseres Licht!